Es frühlingt…

Es frühlingt (in unerlaubter, nicht vom Duden bestätigter Manier)… denn der Frühling ist da! Ich finde es sympatisch, dass die deutsche Sprache der Jahreszeit eine eigene Identität gibt. Ja, im Deutschen haben wir den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter… vier selbstständige, moderne, auf sich selber gestellte und individualisierte Jahreszeiten mit EIGENEN Bezeichnungen. Ist euch eigentlich nie aufgefallen, dass beispielsweise sämtliche romanische Sprachen den Frühling zum ersten Sommer degradieren und ihn somit seiner Individualität berauben? Hier mal ein kurzer Überblick:

• Die Rumänen würden ihre Fenster öffnen um das Zwitschern der Vögel zu hören und ein wenig primăvară-Luft einatmen. Da es noch nicht vară (also Sommer) ist, begnügen sie sich mit ihrem Bruder, nämlich dem ersten Sommer.

• Die Spanier würden sich jetzt gerade über la primavera freuen, also eigentlich über den primer verano, nämlich den ersten Sommer. (verano = Sommer)

• Die Portugiesen würden es sich auch nicht nehmen lassen, bei dem schönen Wetter einen primavera-Spaziergang zu machen, und sich auf den richtigen verão (=Sommer) zu freuen

• Die Italiener würden ihre Picknickkörbe füllen und das schöne primavera-Wetter geniessen gehen (ok, die haben’s nicht von den spanischen Nachbarn abgeschaut, sondern eher von ihren römischen Vorfahren geerbt, bei denen das Wort ver eigentlich ursprünglich Frühling bedeutet hatte… die Frage bleibt nur, wieso muss man dann einen ersten Frühling haben?)

• Die Rätoromanen würden sich von Tal zu Tal trotz unterschiedlicher Dialekte gegenseitig verstehen, wenn sie über die schöne primavaira-Sonne schwärmen würden (wobei, die ein wenig verwirrt sind, da bei ihnen der Sommer stad heisst und sie die Bezeichnung für den Frühling vermutlich ebenfalls direkt aus dem Lateinischen ausgeliehen haben)

• Und zu guter Letzt die Franzosen… diese wissen die Zeit mehr zu schätzen und geniessen den printemps. Na ja, ob sie dem Frühling eher eine eigene Identität verleihen, indem sie ihn die erste (Jahres)zeit nennen, sei dahingestellt.

Deutsch hingegen ist mir sehr sympatisch und ich finde es sogar bewundernswert: eine Sprache, die mit Wortarmut kämpft und sich vielerlei zusammengesetzter Begriffe bedienen muss um eine fehlende Eigenbezeichnung zu ersetzen, tut sich die Wortverschwendung an, dem Frühling eine eigene Identität zu verleihen. Obwohl diese eigentlich … hmmm, vielleicht doch nicht so individuell ist? Frühling war in der älteren Sprache nämlich die Bezeichnung für ein im Frühjahr geborenes Tierjunge. Oder könnten wir es -fälschlicherweise- auch auf ein zu früh geborenes Kind übertragen? Vielleicht sollte ich es mir dann nochmal überlegen, ob ich den Titel dieses Beitrages ändere?

Wie dem auch sei, da gäbe es immer noch als zweifelsfreie Alternative den guten alten Lenz… mit Betonung auf ALT und POETISCH. Kein Wunder, will man das Alter einer Person hervorheben, zählt man seine Lenze. Lenz ist eben auf viele etymologische und linguistische Wege auf lang zurückzuführen und deutet auf die immer länger werdenden Tage hin. In diesem Sinne, möchte ich doch nicht, dass es frühlingt, sondern freue mich, dass es lenzt und wünsche euch viel Spass und (Sprach)lernfreude währenddessen…

Seien wir mal ehrlich, das Wort gibt es nicht! Aber wen kümmert’s? Ein Blick aus dem Fenster auf die mit weissen Schneeglöckchen übersäten, knallgrünen Felder und schon ist man in wortschöpferischer Laune und mutig genug, um sich solch dreisten Unterfangen zu erlauben.